AWO stellt Scheitern der Konzertierten Aktion Pflege in Niedersachsen fest - Niedersächsische Landesregierung muss endlich handeln!

„Wir sprechen allen Pflegekräften und Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen zum heutigen Tag der Pflege unseren aufrichtigen Dank aus. Ihre Arbeit ist von unschätzbarem Wert und wird auch zukünftig einen Grundpfeiler des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft darstellen“, betont Thore Wintermann, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der AWO in Niedersachsen.

 

Um jedoch auch zukünftig pflegerische Versorgung im benötigten Maß zur Verfügung stellen zu können, müsse sich die gesamte Branche auf umfassende Veränderungen einlassen. „Dazu ist die Konzertierte Aktion Pflege in Niedersachsen (KAP.Ni) aus Sicht der AWO in ihrer aktuellen Aufstellung nicht in der Lage“, stellt Thore Wintermann fest. „Seit der Bekanntgabe des 10-Punkte-Planes im Sommer letzten Jahres hat KAP.Ni keine nennenswerten Ergebnisse hervorgebracht.“

 

Einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung des 10-Punkte Planes gäbe es nicht. Die Aktivitäten beschränkten sich derzeit vornehmlich auf das Sammeln vorhandener Projekte. Finanzielle Mittel würden nicht zur Verfügung stehen - weder für neue Projekte noch zur Evaluation laufender Projekte oder für die Verstetigung erfolgreicher Vorhaben.

 

An erster Stelle stehe die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung. Hier werde dringend eine Neustrukturierung benötigt. Wohnortnah müssten allen Menschen sektorenübergreifende Versorgungs- und Präventionsangebote gemacht werden. Die Pflege durch An- und Zugehörige, Ehrenamtliche und professionelle Dienste müsse entsprechend der vorhandenen Ressourcen neu aufgestellt und miteinander verzahnt werden. Für den Umgestaltungsprozess müssten vom Land Niedersachsen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

 

„Die Landesregierung darf sich nicht länger ihrer Verantwortung im Hinblick auf die Reduzierung von Eigenanteilen entziehen. Es muss endlich eine Förderung der Investitionsfolgekosten auch im vollstationären Bereich erfolgen“, fordert Wintermann. „Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind wichtige Themen in der Pflege. Wir brauchen Hitzeschutzaktionspläne und einen Umbau unserer Einrichtungen. Ohne das Land Niedersachsen wird es nicht gehen.“

 

„Aus Sicht der AWO bindet die KAP.Ni aktuell somit unnötig die Ressourcen aller Beteiligten“, erläutert Thore Wintermann die AWO-Position und fordert: „KAP.Ni ist gescheitert und muss daher beendet werden. Stattdessen sollten die drängenden Fragen in der Altenhilfe auf einer Zukunftskonferenz diskutiert und Lösungen für die Herausforderungen erarbeitet werden.“ Diese Konferenz müsse eine breite Beteiligung der Akteure ermöglichen. Das Land Niedersachsen, die Pflegekassen, die Leistungserbringer, Kommunen und die Verbände sollten sich gegenseitig auf eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse verpflichten.

 

Positionen:

 

Sektorenübergreifende Versorgungsangebote

 

Eine komplette Neuaufstellung des Pflegesystems erscheint vielversprechend aber hat aus unserer Sicht wenig Aussicht auf Erfolg. Es handelt sich um ein über Jahrzehnte gewachsenes System, das den Gegebenheiten und der Lebensweise in Deutschland entspricht. Auch ein „Überstülpen“ von Modellen, die in anderen Ländern gut funktionieren, erscheint wenig erfolgversprechend.

 

Vielmehr muss an vorhandene Strukturen angedockt werden. Dabei wird es unumgänglich sein, die Sektorengrenzen aufzubrechen. Aufgabenverteilung und Rollen insbesondere von Fachkräften müssen neu definiert werden. Prävention, Beratung und Unterstützung müssen allen Menschen zugänglich gemacht werden.

 

Für einen Wandel der Versorgungsstruktur braucht es den Veränderungswillen und die Kooperation aller Beteiligten. Wir schlagen daher vor, die KAP.Ni in eine Zukunftskonferenz umzuwandeln. Im Rahmen der Konferenz müssen vorhandene Ansätze geprüft werden, ebenso muss ehrlich festgestellt werden, woran eine Überführung in die Regelversorgung bislang gescheitert ist. Finanzierung und Bürokratie dürfen bei der Umsetzung zukünftig keine Hürden sein.

 

Es wird nicht das eine Modell geben können. Vielmehr müssen Umgebungsfaktoren einbezogen werden. An einem Standort oder von einem Standort aus muss es dabei möglich sein, die im Versorgungsbereich bzw. Quartier benötigten Leistungen zu erhalten. Dabei sind auch die gesundheitliche Versorgung, Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements und die Themen Klimaschutz und Digitalisierung als Querschnittsthemen einzubinden.

 

Für eine tatsächliche Realisierung muss die Konferenz mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

Teil davon könnten die im Koalitionsvertrag verankerten Mittel zur Förderung und dauerhaften Etablierung von Community Health Nursing sein.

 

Klimaschutz

 

Das Potenzial zum Klimaschutz ist auch für Pflegeeinrichtungen sehr hoch. Umso bedeutender ist es, dass Pflegeeinrichtungen bei Klimaaktivitäten auf der Landesebene, wie z.B. das Niedersächsische Aktionsforum Gesundheit und Klima, einbezogen werden. Es gibt bereits sehr gute Projekte der AWO, z.B. das bundesweite Projekt „klimafreundlich pflegen“. Durch die Einbindung könnten auch andere Träger und Versorgungsstrukturen von dem vorhandenen Wissen profitieren. Darüber hinaus wäre sichergestellt, dass die Maßnahmen auch zum Setting der Langzeitpflege passen.

 

Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen. Aktuell fehlen geeignete für alle Träger zugängliche Fördermöglichkeiten für die Pflege. In der Konsequenz müssen entstehende Kosten für bauliche Maßnahmen und Qualifizierungsmaßnahmen größtenteils an die Pflegebedürftigen weitergegeben oder von den Einrichtungen selbst aufgebracht werden. Für eine weitreichende Beteiligung der Pflege an der Erreichung der gesetzten Klimaziele müssen vom Land Niedersachsen entsprechende Fördermöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

 

Digitalisierung

 

Vorrangiges Ziel der Digitalisierung in der Pflege muss aus unserer Sicht die Entlastung der Pflegekräfte sein. Um eine effektive Digitalisierung in der Pflegebranche voranzutreiben, sind zunächst die grundlegenden Voraussetzungen wie beispielsweise eine durchgängige Netzabdeckung sicherzustellen.

 

Darüber hinaus müssen für die Mitarbeitenden in den Gesundheitsberufen Bildungsmaßnahmen zur Stärkung der digitalen Kompetenz entwickelt und angeboten werden. Wir sehen das Land Niedersachsen in der Verantwortung sicherzustellen, dass sowohl alle ambulanten als auch stationären Pflegeeinrichtungen Fördermöglichkeiten des Landes für Maßnahmen zur Digitalisierung nutzen können und vorhandene Förderprogramme verstetigt werden.

 

Bei der Förderung sind auch wichtige Zukunftstechnologien wie KI und Robotik zu berücksichtigen, um einen Anreiz für die Erprobung fortschrittlicher Versorgungsformen zu schaffen.

 

Beschränkung der Eigenanteile

 

Wir begrüßen die Bemühungen des Landes Niedersachsen auf der Bundesebene zum Schutz der Pflegebedürftigen vor dem enormen Kostenanstieg im Pflegebereich. Auch wir halten eine Reform der sozialen Pflegeversicherung für unumgänglich.

 

Mit Blick auf die extrem gestiegenen Baukosten, kostenintensive bauliche Maßnahmen zum Klimaschutz und die hohen Standards aus der Verordnung über bauliche Mindestanforderungen wird eine Begrenzung der pflegebedingten Kosten allerdings nicht ausreichen.

 

Es braucht vielmehr auch eine Entlastung bei den Investitionsfolgekosten. Hier sehen wir das Land Niedersachsen in der Verpflichtung und fordern daher die Wiedereinführung der subjektbezogenen Förderung der Investitionsfolgekosten im vollstationären Bereich wie in den Jahren vor 2002.